Im experimentellen Paradigma der referentiellen Kommunikation werden Versuchspersonen mit mehreren Objekten konfrontiert, aus denen sie ein Zielobjekt eindeutig benennen sollen. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf der speziellen Form von Objektbenennungen, die Größen- und/oder Farbinformationen enthalten. Untersuchungsgegenstand sind dabei vor allem referentielle Überspezifikationen, d.h. Spezifikationen nicht minimal distinktiver Merkmale, und das Phänomen der kanonischen Reihenfolge von Größen- und Farbangaben in komplexen Nominalphrasen (Größe vor Farbe).
Frühere eher deskriptive Erklärungsansätze gehen von einer allgemeinen semantischen Grundlegung der Reihenfolgeregeln für Adjektivfolgen aus. Je absoluter und intrinsischer ein Objektmerkmal, desto näher steht es demnach am Nomen. Bei einer prozeduralen Betrachtung der Produktion komplexer Nominalphrasen scheint das Phänomen der kanonischen Adjektivfolge eher kontraintuitiv: Die Farbe eines Objektes sollte als hoch salientes visuelles Merkmal früher zur Verfügung stehen als die Größe und daher im Zuge der inkrementellen Verarbeitung früher artikuliert werden. Solche invertierten Adjektivfolgen (Farbe vor Größe) werden zwar beobachtet, treten aber insgesamt eher selten und nur unter erschwerten Aufgabenanforderungen auf. Um die prozeduralen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Verarbeitungsstufen herauszuarbeiten und den zeitlichen Ablauf der Prozesse, die während der Generierung einer Objektspezifikation ablaufen, zu erfassen, wurden drei Experimente durchgeführt, in denen mit Hilfe von Augenbewegungsmessungen der zeitliche Ablauf einzelner Verarbeitungsstufen on-line erfasst wurde.
In Experiment 1 zur Erkennung multidimensionaler Unterschiede zwischen zwei Objekten wurde das "same"-"different" Paradigma verwendet, in dem Versuchspersonen entscheiden müssen, ob zwei Objekte identisch oder verschieden sind. Die Ergebnisse für die "different"-Bedingung zeigen deutlich schnellere Verarbeitungszeiten für Farbunterschiede und insbesondere einen starken Vorteil von Farbe über Größe bei der Beurteilung mehrdimensionaler Unterschiede zwischen zwei Objekten.
Auf der Grundlage dieser und anderer Ergebnisse aus der Forschung zum "same"-"different" Paradigma werden anschließend Hypothesen zur Entstehung von Überspezifikationen entwickelt, die sich in Experiment 2 empirisch überprüfen und bestätigen ließen: Größenunterschiede, die gleichzeitig mit Farbunterschieden in einem Objekt auftreten, werden offenbar früh herausgefiltert, so dass nur noch die entdeckten Farbunterschiede (sprachlich) weiter verarbeitet werden.
Experiment 3 dient der Untersuchung des zeitlichen Ablaufs der Konzeptualisierung von Farb- und Größenadjektiven und des Einflusses der Aufgabenschwierigkeit auf das Auftreten invertierter Adjektivreihenfolgen. Die Analyse der Blickbewegungsmuster ergab, dass die Informationen über Größe und Farbe des Zielobjekts offenbar früh genug zur Verfügung stehen, um unter Einbeziehung von Reihenfolgeregeln in die Adjektivslots der Nominalphrase eingefügt werden zu können. Bei schwierigerer Aufgabenstellung zeigten die Augenbewegungsmessungen weniger deutliche Gruppierungsmuster und längere Betrachtungszeiten für die einzelnen Objekte. Gleichzeitig traten deutlich mehr invertierte Adjektivfolgen auf. Diese Befunde lassen auf einen stärkeren Einfluss des inkrementellen Modus der Produktion unter erschwerten Aufgabenbedingungen schließen. Diese Balance zwischen inkrementeller Produktion und grammatischer Konvention wird als Trade-Off zwischen semanto-syntaktischen und prozeduralen Restriktionen interpretiert.
Die Ergebnisse der gesamten Experimentalreihe werden abschließend im Hinblick auf verschiedene Aspekte der Sprachproduktion diskutiert; dabei sind insbesondere repräsentationale Grundlagen des Regelwissens zu kanonischen Adjektivfolgen zu erörtern. Der Ausblick hebt schließlich die Bedeutung der Ergebnisse für die Modellierung von Sprachproduktionsprozessen hervor: Die vorgestellten Befunde eröffnen erstmals die Möglichkeit, ein Modell der Objektreferenz bzw. -benennung vollständig, d.h. von der visuellen Wahrnehmung bis zur linguistischen Enkodierung, zu entwickeln und zu implementieren.