Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil des Sozialverhaltens von Tieren, und oftmals dienen auffällige Signale der Vermittlung sozialer Beziehungen zwischen Tieren. Der Gesang von Vögeln hat sich als ausgezeichnetes Modell zur Untersuchung von Grundlagen der Kommunikation und der sexuellen Selektion bewährt. Vogelgesang, der in der Revierverteidigung und zur Partnersuche eingesetzt wird, stellt ein sexuell selektiertes Merkmal dar, so dass er innerhalb einer Art und über Arten hinweg in auffallender Variabilität zu finden ist. Weibchen scheinen bei ihrer Wahl eines geeigneten Männchens oftmals auf solche Gesangsmerkmale zu achten, die in ehrlicher Weise die Kondition eines Männchens widerspiegeln, wie dies zum Beispiel bei der Größe des Repertoires, der Komplexität des Gesangs oder bei der Darbietung bestimmter struktureller Gesangsmerkmale der Fall zu sein scheint. Im Gegensatz dazu scheinen Männchen ihre Gegner eher während direkter Auseinandersetzungen anhand von dynamischen Gesangsstrategien, welche die Motivation oder Erregung widerspiegeln, abzuschätzen. So wurde beispielsweise nachgewiesen, dass das Überlappen der Strophen des Gegenübers (song overlapping) ein aggressives Signal darstellt, welches die Bereitschaft zur Eskalation eines territorialen Konflikts anzeigt, wohingegen der abwechselnde Gesang (song alternating) eine weit weniger aggressive Gesangsstrategie zu sein scheint. Die Hauptfrage meiner Dissertation ist, ob eingesetzte Strategien zur Revierverteidigung auch Rückschlüsse auf den späteren Paarungserfolg eines Männchens zulassen, was ich an der sozial monogamen Nachtigall Luscinia megarhynchos untersucht habe.
Ich fand heraus, dass Männchen, die später in der Brutsaison zur Verpaarung kamen, während nächtlicher Gesangsinteraktionen vor der Verpaarung stärker auf simulierte Rivalen reagierten als solche Männchen, die während der gesamten Brutsaison hindurch unverpaart blieben (Kapitel I). Dabei war das Ausmaß der Bedrohung, die der simulierte Rivale durch die Anzahl überlappender Strophen darstellte, unerheblich. Die Dynamik dieser Interaktion hatte eine lang anhaltende Wirkung, da die Männchen ihr Territorialverhalten noch am folgenden Tag an diese Vorerfahrung anpassten, wenn sie mit demselben Rivalen konfrontiert wurden. Männchen, die in der Nacht zuvor mit einem gesangsüberlappenden, also aggressiven, Gegner konfrontiert wurden, reagierten am folgenden Morgen stärker auf die erneute Bedrohung als solche Männchen, die zuvor mit einem moderat singenden, also nicht überlappenden Gegner konfrontiert wurden (Kapitel II). Vorerfahrungen scheinen somit in der Revierverteidigung eine wichtige Rolle zu spielen, da sie über einen längeren Zeitraum hinweg Entscheidungen eines Territoriumsbesitzers beeinflussen können. Außerdem nutzen Männchen besondere Strophenstrukturen, nämlich schnelle und breitbandige Triller (trills), die für den Gesang vieler Singvogelarten charakteristisch sind und als schwer zu produzieren gelten, um die Stärke ihrer Gegner einzuschätzen (Kapitel III). Die Männchen passten ihre Reaktion dabei sogar der Feinstruktur der trills an, da später zur Verpaarung kommende Männchen um so stärker auf die trills reagierten, je breitbandiger diese waren, wohingegen Männchen ohne späteren Paarungserfolg in gegenteiliger Richtung reagierten. Schließlich untersuchte ich, aufbauend auf den Ergebnissen der Kapitel I und III, ob Männchen innerhalb eines Kommunikationsnetzwerkes einer Interaktion zweier Artgenossen zuhören und Informationen, die durch die Wahl der spezifischen Gesangsstrategien deutlich wird, adäquat nutzen. Die Ergebnisse in Kapitel IV zeigen, dass Revierbesitzer ihre Nachbarn als eine Art "Frühwarnsystem" nutzten. Sie passten ihr Territorialverhalten gegenüber einem Eindringling an die Information über dessen Aggressivität, die sie aus einer vorhergehenden Interaktion dieses Eindringlings mit ihrem Nachbarn gewonnen hatten, an. Außerdem berücksichtigten die Revierbesitzer in der Wahl ihrer Antwort auf den Eindringling auch die Qualität des Nachbarn, gemessen anhand seines Verpaarungserfolges.
Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass die Ergebnisse meiner Studien neue Einblicke in die Funktion von Kommunikationsstrategien gewähren, die in der Revierverteidigung und der Partnersuche territorialer Tiere eingesetzt werden können. Informationen über den zukünftigen Verpaarungserfolg eines Männchens, die durch spezifische Kommunikationsstrategien in vokalen Interaktionen übermittelt werden, könnten Artgenossen auch bei der Wahl eines geeigneten Revieres beeinflussen. Somit verdeutlichen meine Ergebnisse, dass individuelle Unterschiede zwischen Rivalen und die Auswirkungen von Revierkämpfen über einen längeren Zeitraum hinweg zu der Evolution bestimmter Muster in der Bildung und Aufrechterhaltung von Revieren beitragen könnten.