Diese Arbeit fragt nach der Machtgebundenheit von Organisationsberatung. Die empirische Grundlage liefert eine mehrjährige teilnehmende Beobachtung eines Beratungsprozesses bei einem Maschinenbauunternehmen. Von Interesse war zu sehen, von wem und mit welchen Mitteln auf Berater Einfluss genommen wird, und welchen Einfluss Berater ihrerseits im Unternehmen ausüben. Darüber erfährt man in der bisherigen Beratungsforschung wenig. Es galt die These zu untermauern, dass Beratung keine einfache Lösung für die Schwierigkeiten organisierten Handelns darstellt, sondern aus mikropolitischer Sicht ebenfalls als ein Problem betrachtet werden muss.
Im ersten Teil der Arbeit wird eine spezifische Denkweise der Organisationssoziologie vorgestellt, deren Eckpunkte die Begriffe Akteur, Macht und Spiel sind. Anschließend wird ein unübersichtlicher, vielfach gebrochener und widersprüchlicher Beratungsprozess beschrieben. Die eigentlich geplante Einführung von Gruppenarbeit bei einem Maschinenbauunternehmen entpuppt sich als Odyssee. Das Reformprojekt wird im Zuge mikropolitischer (Ver)Handlungen fast bis zur Unkenntlichkeit transformiert. Die Berater finden sich in Situationen wieder, die für sie nur noch bedingt beherrschbar sind. Ursprüngliche Projektplanungen erweisen sich als Makulatur. Die Berater werden zu Akteuren in einer Veränderungskoalition, die ihnen einerseits neue Handlungsmöglichkeiten bietet, die ihnen andererseits aber auch neue Zwänge auferlegt. Der scheinbar neutrale Qualifizierungsansatz der Berater stellt sich innerbetrieblich als hochumstritten heraus und ist nicht annähernd zu realisieren. Außerdem bekommen es die Berater mit nichtintendierten Folgen ihres Veränderungsprogramms zu tun. Das alles hat wenig zu tun mit den konventionellen Vorstellungen davon, was einen Beratungsprozess auszeichnet. Beratung wird in der Falldarstellung als mikropolitische Arena erkennbar, in der um Anerkennung und Interessen gerungen wird und in der es zu einer weitreichenden Politisierung des Reformthemas Gruppenarbeit gekommen ist.
Die mikropolitische Rekonstruktion des Falls nennt einige relevante Problemstellungen von Beratung. Analysiert wird etwa die Ambivalenz von Koalitionen. Diese werden nicht umstandslos zu Motoren des Wandels, sondern laufen Gefahr, sich im Interesse eigener Bestandswahrung vom eigentlichen Reformvorhaben zu emanzipieren. Es kann gezeigt werden, dass die mikropolitische Aufladung von Modernisierungsleitbildern und Qualifizierungskonzepten zu nichtintendierten Folgen führt, die für die Berater nicht mehr bearbeitbar sind. Schließlich wird darauf aufmerksam gemacht, dass lokale Ordnungen und damit die in ihnen herrschenden Machtverhältnisse der Ursprung bzw. das Hindernis jeder sozialen Innovation sind. Nimmt man eine solche Perspektive ein, zeigt sich der Doppelcharakter von Macht: Zum einen erweist sich Macht als zentrales Hindernis für organisationales Lernen, zum anderen birgt aber nur sie das Potential für soziale Innovation. Für all die genannten Problematisierungen zeigt sich die bisherige Forschung über Beratung weitgehend desinteressiert.
Abschließend wird für einen reflexiven Umgang mit organisationaler Veränderung und Beratung plädiert. Und das heißt zuzugestehen, dass gelingende Beratung hochvoraussetzungsvoll ist, wenn mit ihr tatsächliche Verhaltensänderungen und damit einhergehend Veränderungen in der Spiellogik eines Handlungssystems erreicht werden sollen. Beratung erscheint dann als eine Wette auf die Nutzung bisher noch nicht genutzter Kompetenzen und Ressourcen.