Ziel der Studie war die Entwicklung eines Verfahrens zur sicheren und nichtinvasiven Bestimmung sprachrelevanter Hirnareale, welches den bisherigen Standardverfahren überlegen sein sollte. Dies hätte zum einen Implikationen für die neuropsychologische und medizinische Forschung, darüber hinaus wäre die Entwicklung eines solchen Verfahrens vor allem aber auch von hoher praktischer Relevanz: Vor Hirnoperationen, beispielsweise bei Epilepsie- oder Tumorpatienten, ist es notwendig, "eloquente" Hirnregionen möglichst fehlerfrei zu identifizieren, um das Risiko von Sprachstörungen als Folge der OP so gering wie möglich zu halten. Die Standardverfahren (z.B. Wada-Test) zur Lokalisation der Sprachareale bergen jedoch erhebliche Risiken. Eine alternative Bestimmung der sprachrelevanten Areale über bildgebende Verfahren in Kombination mit Wortaufgaben wäre demgegenüber zwar weniger belastend, die Fehlerwahrscheinlichkeit von 8 bis 10 Prozent läge jedoch zu hoch, um im Einzelfall sichere Entscheidungen treffen zu können (Knecht, Deppe, Ebner et al., 1998; Wörmann et al., 2003).
In der vorliegenden Studie wurde in Anlehnung an die Arbeiten von Lurito und Mitarbeiter ein selbstentwickeltes phonologisches Reimgenerierungsparadigma mit dem klassischen Wortgenerierungsparadigma verglichen und hinsichtlich der Genauigkeit bei der Vorhersage der sprachdominanten Hemisphäre bewertet (Krach & Hartje, 2006; Lurito et al., 2000). Verwendet wurden dazu die Daten von 38 Versuchspersonen einer fMRT-Studie sowie von 27 Versuchspersonen einer fTCD-Studie. Bei beiden Untersuchungen handelte es sich um männliche rechtshändige Versuchspersonen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Für 16 Versuchspersonen lagen die Daten beider bildgebender Verfahren vor, womit auch ein Vergleich der Untersuchungsmethoden (fMRT und fTCD) vorgenommen werden konnte. Beim fMRT-Untersuchungsdesign handelte es sich um ein randomisiertes Blockdesign mit den Faktoren Wort- und Reimgenerierung sowie Wort- und Reimentscheidung. Bei der fTCD-Studie wurden Wort- und Reimgenerierung miteinander verglichen.
Die Ergebnisse beider bildgebender Verfahren (fMRT und fTCD) zeigen, dass es mit beiden Paradigmen und unabhängig von der Methode zur Lateralitätsberechnung (Voxelcount- vs. Fernández-Ansatz bei fMRT) in gleicher Weise gelingt, die sprachdominante Hemisphäre zuverlässig vorherzusagen. Dabei aktiviert das Generieren von Reimen sprachrelevante Regionen in weitaus stärkerem Ausmaß, als dies durch die Wortgenerierung erreicht werden kann. Die Stärke der Lateralisation bleibt davon allerdings unbeeinflusst. Bei der Betrachtung der fMRT-Aktivierungen (auf Gruppen- sowie Versuchspersonenebene) findet sich bei der Wort- und Reimgenerierung in nahezu gleichem Umfang eine Beteiligung inferior-frontaler Hirnareale (BA 44/45 und 47). Stärker als erwartet fallen bei beiden Untersuchungsparadigmen die gleichzeitigen fMRT-Aktivierungen in den rechtshemisphärischen inferior-frontalen Hirnarealen aus.
Die Studie zeigt, dass mit beiden Aufgabentypen (Wort- und Reimgenerierung) und unabhängig vom bildgebenden Untersuchungsverfahren (fMRT und fTCD) in gleicher Weise eine zuverlässige Bestimmung sprachassoziierter Hirnregionen möglich ist. Die Reimgenerierungsaufgabe evoziert dabei allerdings signifikant stärkere Aktivierungen in sprachrelevanten Hirnarealen als die Wortgenerierungsaufgabe und könnte somit in Zukunft als ein alternatives Aktivierungsparadigma zur nichtinvasiven Bestimmung sprachassoziierter Hirnregionen eingesetzt werden. Insbesondere bei Versuchspersonen bzw. Patienten mit einer sehr niedrigen Aktivierungsschwelle würde sich dieser Aufgabentyp anbieten.