Fragestellung und Methode:
Was passiert eigentlich, wenn zwei Kinder zusammen sitzen und sich Gott und die Welt ausmalen, genauer, wenn sie ein Bild über ihre Vorstellung von Gott malen, und noch genauer, wenn sie dies als Auftragsarbeit tun? Kinder wurden und werden sehr häufig darum gebeten, ein Bild über ihre Vorstellung von Gott zu malen. Dies geschieht im Religionsunterricht der Grundschule oder in den letzen Jahren verstärkt als Forschungsmethode in der empirisch arbeitenden Religionspädagogik. Sowohl in der Schule, als auch in der empirischen Forschung geht es dabei bislang in erster Linie um das Was der Bilder. Was haben die Kinder gemalt und was sagt dies über ihr Gottesbild aus? In der vorliegenden Untersuchung soll dagegen das Wie stark gemacht werden.
Wie beschäftigen sich die Mädchen und Jungen mit der Frage nach Gott, wie greifen sie dabei auf Gottesbilder, auf Fragen und Gedanken über Gott zurück? Wie gestaltet sich das Miteinander der Mädchen und Jungen, während sie zusammen zeichnen, wie beeinflusst dieses Miteinander die Entstehung der Bilder? Macht es einen Unterschied, wie Mädchen und wie Jungen sich gemeinsam Gott und die Welt ausmalen? Können in bildnerischen Gestaltungsprozessen über Gottesbilder Bildungsprozesse stattfinden?
Die vorliegende Studie befindet sich in ihrer Fragestellung und Methodik im Grenzbereich zwischen Kunst und Theologie. Der Frage nach dem Zusammenhang von Gottesbildern, Bildern und Bildungsprozessen soll mit einem interdisziplinären Zugang nachgegangen werden, bei dem das Malen nicht nur als Methode und Mittel zum Zweck, sondern zum Forschungsgegenstand wird. Methodisch geschieht dies anhand von Feinanalysen filmisch dokumentierter Malprozesse befreundeter Mädchen und Jungen im Grundschulalter.
Diese werden nach dem Verfahren der objektiven Hermeneutik nach OEVERMANN sequenzanalytisch untersucht. Die Auswahl der in Feinanalysen untersuchten Malprozesse erfolgt nach dem Prinzip der maximalen Kontrastierung aus einem Sample von 18 Malprozessen mit 21 Mädchen und 19 Jungen.
Ausgewählte Ergebnisse in Thesen:
- Malen und Zeichnen bedeutet Spielen mit gestalterischen Mitteln. Diese These Gerd E. SCHÄFERS kann auch anhand der Malprozesse über Gottesvorstellungen nachvollzogen werden. Was für Malprozesse allgemein gilt, gilt auch für Malprozesse als Auftragsarbeit: Malprozesse über Gottesvorstellungen dienen als ästhetische Prozesse keineswegs nur der Artikulation, sondern werden geprägt durch ästhetische Prinzipien wie das Erproben und Gestalten von Farben, Formen und Material.
- Malprozesse werden in jeder Hinsicht durch die Interaktion der Kinder geprägt. In der Ko-Konstruktion religiöser Symbolik und theologischer Thematik und im Umgang mit Differenz ereignet sich religiöse Bildung. Der Blick auf religiöse Bildungsprozesse wie der Blick auf ästhetische Prozesse muss dringend um die Perspektive der intersubjektiven Interaktion erweitert werden.
- Ausschließlich für Mädchen wurde das Geschlecht Gottes zum Thema. Dabei bestätigten sich die Thesen Stephanie KLEINS: Die Mädchen wissen, dass Gott kein Mensch ist, seine Männlichkeit allerdings steht ungeachtet dieses Wissens unanzweifelbar fest. Die in Worten nicht artikulierbaren Bedürfnisse nach der Weiblichkeit Gottes können jedoch in der präsentativen Symbolik des Bildes ausgedrückt und bearbeitet werden.
- Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen, dass das Kategorienpaar "Anthropomorph versus Symbolisch" keinen Erklärungswert für die Interpretation der Malprozesse und Bilder von Kindern über ihre Vorstellungen von Gott haben kann. Die Malprozesse stellen subjektive Aneignungen bekannter religiöser Symbole dar. Dabei greifen die Kinder auf religiöse und nicht religiöse symbolische Vorlagen unterschiedlichster medialer Herkunft zurück, die sie im Dienste der Artikulation eigener Themen und Bedürfnisse neu kombinieren.
Fazit:
Die untersuchten Malprozesse zeigen, dass die Mädchen und Jungen keineswegs ein Gottesbild im Kopf als Gottes-Bild auf Papier kopieren. Vielmehr erweisen sich die Malprozesse in allen untersuchten Aspekten als religiöse Bildungsprozesse, deren genaue Wahrnehmung insbesondere im Sinn einer subjektorientierten Religionspädagogik notwendig und lohnenswert ist.