Seit der weitestgehenden Entschlüsselung des menschlichen Genoms nimmt die Systembiologie in den Biowissenschaften einen immer größeren Stellenwert ein. In diesem interdisziplinären Forschungsgebiet beschäftigen sich verschiedene Fachrichtungen von der Biologie, Chemie, Physik, Mathematik bis hin zur Informatik damit, ein ganzheitliches Verständnis zellulärer Zusammenhänge zu erlangen. Eine wesentliche Grundlage dafür bildet die Analyse des Proteoms, da die Proteine eine Vielzahl von Funktionen innerhalb der Zelle steuern. Die derzeitigen Untersuchungsmethoden auf diesem Gebiet basieren auf der Analyse von Ensembles aus typischerweise 10^5 - 10^6 Zellen, so dass Zell-Zyklus-abhängige und durch äußere Einflüsse verursachte Effekte, die Subpopulationen hervorbringen, aufgrund der Mittelung über das Ensemble nicht berücksichtigt werden können. Im Gegensatz dazu bietet die Einzelzellanalytik die Möglichkeit, u.a. die metabolische Zusammensetzung und biologische Aktivität einzelner Subpopulationen zu untersuchen.
Die System-Nanobiologie bildet mit den Methoden der Mikrofabrikation und der Nanotechnologie eine Erweiterung der Systembiologie, mit der neue Techniken für die Handhabung, Manipulation, Analyse und Detektion von einzelnen Molekülen und Zellen zur Verfügung gestellt werden. Mikrofluidik-Systemen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie die Integration dieser vielfältigen Funktionen ermöglichen und Ansätze für die Realisierung miniaturisierter Labore bieten. Das Konzept für solche Miniaturlabore (Lab-on-a-Chip bzw. micro total analysis systems µ-TAS) wurde von Manz et al. 1990 formuliert, mit deren Veröffentlichung zeitgleich die rasante Entwicklung auf diesem Gebiet einsetzte.
Die Proteinelektrophorese stellt eine der häufigsten Analysemethoden dar, welche in mikrofluidische Systeme integriert wurde. Das Prinzip basiert auf der Auftrennung der Proteine in freier Lösung oder in Gelen aufgrund unterschiedlicher elektrophoretischer Mobilitäten im elektrischen Feld. Für den Nachweis der Proteine wird häufig die Laser-Induzierte Fluoreszenz (LIF) verwendet, die eine sensitive Methode mit Detektionsgrenzen bis in den fM-Bereich darstellt. Neben dem zusätzlichen Präparationsschritt erweist sich diese Methode aufgrund der möglichen Existenz fluoreszenter Derivate als nachteilig, da die elektrophoretische Auftrennung und Identifizierung erschwert wird. Einen alternativen Ansatz stellt die Verwendung der nativen Fluoreszenz zum Nachweis der Proteine dar. Die Methode basiert auf der Detektion der im UV-Bereich anregbaren Aminosäuren Phenylalanin (Phe), Tyrosin (Tyr) und Tryptophan (Trp).
Erste Ansätze eines Protein-Fingerabdruckes einzelner Zellen sind von der Gruppe um N. Dovichi mittels Kapillargelelektrophorese im 1-D und 2-D Format realisiert worden, wobei die LIF-Detektion der Proteine im Sichtbaren (VIS-LIF) erfolgte. In Mikrofluidik-Systemen ist bis dato nur die Auftrennung und Detektion von Farbstoffen, eines kleinen Peptids und eines Vitamins aus einzelnen Zellen bekannt. Kürzlich konnte die Enzymaktivität einzelner Zellen ohne Cytolyse elektrochemisch nachgewiesen werden.
In dieser Arbeit wird ein Konzept zur Proteinanalytik einzelner Zellen in Mikrofluidik-Systemen vorgestellt, bei dem die verschiedenen Schritte von der Selektion und Navigation der Zelle über die Lyse bis hin zur abschließenden elektrophoretischen Auftrennung und Detektion in einem Mikrofluidik-Kanalsystem durchgeführt werden. Dafür werden zunächst Strategien zur Prävention der Proteinadsorption an Oberflächen untersucht. Im Speziellen werden Oxidationsverfahren sowie kovalente und durch Adsorption hervorgerufene Beschichtungen der Polydimethylsiloxan (PDMS) Oberfläche mit Polyoxyethylenglykolen (POE) charakterisiert (siehe Kap. 4.1). Ferner wird ein robustes Detektionssystem, basierend auf einem invertierten Epifluoreszenzmikroskop, zur UV-LIF von Aminosäuren und Proteinen in PDMS/Quarz Mikrofluidik-Kanälen vorgestellt (siehe Kap. 4.2). Abschließend werden die bis dato ersten Einzelzellelektropherogramme von Proteinen mit VIS-LIF- und UV-LIF-Detektion demonstriert (siehe Kap. 4.3).