MicroRNAs (miRNAs) sind eine kürzlich entdeckte Klasse posttranskriptioneller Genregulatoren, die in einer Vielzahl von Metazoen, Pflanzen und Viren verbreitet sind. Diese ~22nt langen, nicht kodierenden RNAs spielen ein entscheidende Rolle bei der Regulation vieler biologischer Prozesse, wie z.B. der Entwicklung, Differenzierung, Proliferation, dem Stoffwechsel und bei Erkrankungen. In Metazoen binden sie zusammen mit dem Effektorkomplex RISC als miRNP vorwiegend im 3'UTR der Zielgen-mRNA mit unvollständiger Komplementarität, was zur Inhibierung der Translation führt. Eine miRNA kann mehrere Zielgene haben und umgekehrt kann ein Zielgen mit mehreren miRNAs interagieren. Obwohl bis heute ca. 3500 miRNAs in Metazoen entdeckt wurden, sind ihre Zielgene weitestgehend unbekannt, da die notwendigen Eigenschaften für eine Bindung nicht vollständig erfasst sind.
In dieser Arbeit wurde ein Reporter-System zur Validierung von miRNA-Zielgen-Interaktionen etabliert und weiterentwickelt. Es konnten sechs neue miRNA-Zielgene validiert werden, die durch das Programm RNAhybrid vorhergesagt wurden. Durch die Analyse der Rohdaten, die Auswertung der Validierungsexperimente und die stetige interdisziplinäre Diskussion mit dem Entwickler des Programms, Dr. Marc Rehmsmeier, konnte ein entscheidender Beitrag zur Verbesserung des Programms geleistet werden.
Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit war die Charakterisierung von miRNAs in Wobbler-Tieren, die durch die Degeneration von Motoneuronen ein Mausmodell für SMA und ALS darstellen. Es konnte eine negative Korrelation der Expression zwischen der miR-17-3p und dem Zielgen Vimentin, welches in Wobbler-Tieren verstärkt exprimiert ist, festgestellt werden. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass diese miRNA das Protein- und das mRNA-Niveau von Vimentin negativ reguliert. Die verstärkte Expression und Akkumulation von Vimentin in Wobbler-Tieren konnte als Grund für die Degeneration von Motoneuronen, durch Phänotypanalysen im Hinblick auf Krankheitsprogression und -beginn von Wobbler-Tieren mit intaktem und mit ausgeschaltetem Vimentin-Gen, ausgeschlossen werden. Durch die Erstellung eines vergleichenden miRNA-Expressionsprofils des Rückenmarks aus Wobbler- und Wildtyp-Tieren konnten neue Hinweise für die Pathologie der Erkrankung gewonnen werden. So zeigten sich im Rückenmark erkrankter Tiere vier miRNAs als negativ reguliert. Die Analyse der vorhergesagten Zielgene dieser miRNAs und die Tatsache, dass diese miRNAs in Wobbler-Tieren geringer exprimiert sind, lassen auf apoptotische Prozesse als Grund für die Degeneration der Motoneurone schließen.
Die Hinweise, dass miRNAs bei neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen, geben einen völlig neuen Einblick in die Pathomechanismen und können die Entwicklung neuer Therapieansätze anregen.