Die altersabhängige Aneuploidie ist im Menschen schon seit langem bekannt und schon früh beschrieben worden. Obwohl dieses Phänomen schon gut charakterisiert worden ist, sind die Ursachen und Mechanismen, die zur Entstehung chromosomaler Aberrationen beitragen, noch relativ unbekannt. Am Modell der CBA/Ca sollen verschiedene Ursachen für die altersbedingte Aneuploidie untersucht werden.
In dieser Arbeit wurde die chromosomale Konstitution von Maus-Oozyten junger (<=3 Monate) und alter (>9 Monate) CBA/Ca Mäuse untersucht. Um die Rate an chromosomalen Fehlverteilungen zu bestimmen, wurden die Oozyten nach 3 Stunden, kurz nach der Auflösung des Keimbläschens (GVBD), und nach 6 Stunden in vitro Reifung gespreitet. Zu dem frühen Zeitpunkt hat sich noch keine funktionelle Spindel ausgebildet, so dass noch keine Zugkräfte auf die Chromosomen wirken, wohingegen nach 6 Stunden schon eine funktionelle, bipolare Prometaphase-I-Spindel Zugkräfte auf die Bivalente ausübt. Weitere Spreitungen von Oozyten junger und alter, stimulierter und unstimulierter CBA/Ca wurden nach 16 Stunden in vitro Reifung durchgeführt und die Rate der fehlerhaft getrennten Chromosomen bestimmt. Da der Ablauf des Zellzyklus zeitlich streng reguliert ist und Auskunft über das Vorhandensein von Kontrollpunkten gibt, wurden die Reifungskinetiken der Oozyten junger und alter Mäuse untersucht und mit der Aktivität der beiden reifungsrelevanten Kinasen (Histon HI- und MAP-Kinase) verglichen. Um die Rolle hormoneller Schwankungen bei der Entstehung von chromosomalen Fehlverteilungen zu untersuchen, wurden die Mäuse im Diöstrus mit einer geringen Dosis an PMSG (5 iU) gespritzt.
In den frühen Spreitungen (3 und 6 h) konnten keine Univalente nachgewiesen werden. Auffällig war jedoch eine signifikant höhere Rate an Bivalenten in den Oozyten der alten CBA/Ca, deren Chromatiden nur noch über extrem distale Chiasmata verbunden waren. Diese chromosomalen Konfigurationen sind im humanen System eng mit maternal bedingten Trisomien der Chromosomen 16 und 21 korreliert. Der Vergleich der Reifungskinetik ergab eine deutlich höhere Reifungsgeschwindigkeit der Oozyten der alten CBA/Ca. Im Gegensatz dazu war die Kinaseaktivität der für die Reifung maßgeblichen Kinasen in den Oozyten der alten CBA/Ca nach 3 Stunden in vitro Reifung signifikant niedriger als in der Vergleichsgruppe. In dieser Untersuchung konnte in den Oozyten der älteren CBA/Ca Mäuse erstmals eine Entkopplung der zytoplasmatischen von der chromosomalen Reifung beobachtet werden. Hormonelle Schwankungen führen dazu, dass die Rate an euploiden und hyperploiden Oozyten in den superovulierten, jungen Mäusen zunimmt, wohingegen sie sich in den Oozyten der alten, superovulierten Mäuse nicht signifikant ändert.
In dieser Untersuchung konnten zwei prinzipiell unterschiedliche Fehlerquellen als mögliche Ursache für die Segregationsfehler identifiziert werden: 1) Es konnten vom Alter der Oozytenspender unabhängige chromosomale Konfigurationen nachgewiesen werden, die für Fehlverteilungen prädestiniert sind, und 2) altersabhängige Fehler in der Koordination der Reifung mit den Zellzykluskontrollen. Nach der "Two Hit" Hypothese von Koehler und Lamb könnten dies die beiden Schlüsselereignisse sein, die nur in der Summe zu den beobachteten Aberrationen führen.