Höhere Schulen im Deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1914 galten in der Historiographie sowie in der Schul- und Bildungsgeschichte bisher als wichtige Instanzen nationaler Bildung und Erziehung. Diese Annahme hinterfragt die Doktorarbeit und weist nach, dass höhere Knaben- und Mädchenschulen weitaus weniger, als bisher behauptet, als Nationalisierungsagenturen gelten können. Auch die Vorstellung vom Kaiserreich und der höheren Schule im Kaiserreich als autoritärem nationalem Erziehungsstaat steht zur Debatte. Anders als immer noch oft beschrieben, gingen die Initiativen für eine stärkere Einbeziehung nationaler Orientierungen nicht vom (preußischen) Kultusministerium aus, sondern "von unten", von einzelnen Lehrern und Lehrerverbänden sowie nationalistischen pressure groups. Auf die kulturgeschichtliche Nationalismusforschung der letzten Jahre zurückgreifend, fragt die Doktorarbeit auch nach den geschlechterspezifischen Ausprägungen und Brechungen nationaler Bildung. Hier zeigt sich, dass die moderat nationale Orientierung der Schulbildung die Geschlechterdifferenz nicht scharf markiert hat. Der nationale Diskurs diente nicht zuletzt im "Kampf der Geschlechter" als Mittel zur Durchsetzung von Prestige, Professions- und Geschlechterinteressen.