Die Embodimenttheorie, die sich aus der philosophischen Strömung der Erkenntnistheorie entwickelte, fällt in die Tradition einer monistischen Auffassung über die Beziehung zwischen Körper und Kognition. Dieser Auslegung zufolge stehen Körper und Kognition in wechselseitigem Verhältnis zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Der Ansatz ist nicht nur für die Philosophie, sondern unter anderem auch für die Kognitionswissenschaften relevant. In der vorliegenden Arbeit wird die sprachliche Embodimenttheorie als Forschungsgegenstand der (Neuro-)Linguistik fokussiert.<br />
Die kognitive Verarbeitung von Sprache wird der sprachlichen Embodimenttheorie zufolge durch körperliche Erfahrungen eines Individuums und dessen Auseinandersetzung mit der Umwelt beeinflusst. Auf neurobiologischer Ebene manifestiert sich diese Interaktion derart, dass eine direkte Verknüpfung zwischen sensomotorisch und sprachlich relevanten Kortexarealen vorliegt. So konnten Forschungsarbeiten beispielsweise zeigen, dass während der Verarbeitung motorischer Verben (ziehen, greifen) die Kortexareale aktiv sind, die auch die Planung und Ausführung eines entsprechenden Bewegungsprogramms steuern.<br />
In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, inwieweit eine solche Konnexion von sprachlichen und sensomotorischen Prozessen bei der Verarbeitung abstrakter Sprache mit motorischem Bezug vorliegt (Konsequenzen ziehen, Beruf ergreifen). Um diese Frage zu beantworten wurden mehrere Verhaltensexperimente und ein EEG-Experiment durchgeführt, in denen Reaktionen auf konkrete und abstrakte Sätze mit Bewegungsbezug miteinander verglichen wurden. Darüber hinaus wurde speziell im EEG-Experiment ein Vergleich zwischen Antworten auf sprachliche motorische Stimuli und auf die visuelle Präsentation von Bewegungen vorgenommen, um mögliche Parallelen zwischen der Aktivierung des sensomotorischen Systems während der Sprach- und der Bewegungsverarbeitung aufzudecken.<br />
Die Ergebnisse aus den verschiedenen Experimenten lassen darauf schließen, dass sensomotorische Kortexareale an der Verarbeitung abstrakter Sprache mit Bewegungsbezug beteiligt sind, allerdings auf andere Art oder in geringerer Intensität als während der Verarbeitung konkreter Sprache. Weiterhin sind die sensomotorischen Prozesse während der Sprach- und der Bewegungsverarbeitung nur bedingt vergleichbar. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die Relevanz sensomotorischer Kortexareale für die Verarbeitung abstrakter Sprache sowie über die Intensität der Auslegung der sprachlichen Embodimenttheorie.