Der Beitrag wirft eine organisationssoziologische Perspektive auf die systematisch
durchgeführten Massenmorde in den als Heil- und Pflegeanstalten getarnten
nationalsozialistischen Tötungsorganisationen, die im Rahmen einer
(rassen-)ideologischen Interpretation der eugenischen Vorhaben ein Ausmerzen von
Menschen mit physischen, geistigen oder psychischen Behinderungen bzw.
Erkrankungen zum Ziel hatte. Erklärungsbedürftig ist hierbei vor allem, wie die
Umsetzung des staatlichen Vernichtungsprogramms gelingen konnte, obwohl es sich
bei den als Fußvolk der Euthanasie bezeichneten (Mit-)Tätern um Personen gehandelt
hat, die nicht zum Morden prädestiniert, geschweige denn dazu ausgebildet waren.
Ausgehend von einem Organisationsverständnis, welches als ein auf Mitgliedschaften
beruhendes soziales System gedeutet wird, soll anhand zahlreicher theoretisch
dargestellter sowie empirisch belegter Organisationsmechanismen aufgezeigt werden,
wie diese illegalen Praktiken in außergewöhnlicher Weise normalisiert wurden. In Folge
dessen charakterisierten die Mitglieder die Taten als indifferent, da sie fortan als
legitime Handlungserwartung der Organisation galten. Die organisationale Einbindung
fungierte für die Mitglieder als ein gleichermaßen entsolidarisierender,
entmoralisierender sowie verantwortungs-entlastender Mechanismus.