Die Ratifizierung der ASEAN Charta markiert einen dramatischen Bruch, in dem sich die ASEAN zum ersten Mal zu einer Rechtsgemeinschaft erklärt. Das elfte Gipfeltreffen der ASEAN-Staaten hat im Dezember 2005 für viel Aufmerksamkeit in der internationalen Politik gesorgt, weil die Charta einen Wendepunkt in der Geschichte der Organisation darstellt. Mit der Einführung der Charta Ende 2008 wird der Bruch mit der bisherigen Praxis des „ASEAN Way“ vollzogen. Die Charta ist ein bedeutendes Beispiel für die Diffusion regionaler Integration.
An Relevanz gewinnt das Thema ASEAN vor allem in dem Moment des Desinteresses seitens der klassischen Integrationstheorien. Die klassischen Integrationstheorien haben diese Entwicklung – ASEAN Charta – innerhalb der ASEAN grundsätzlich nicht prognostiziert, weil sie den Erwartungen widerspricht. Das Puzzle der ASEAN und der regionalen Integration wird mit dem world polity-Ansatz von John W. Meyer analysiert und erörtert, inwieweit die Theorie mögliche Erklärungsansätze bereitstellt. Neben der Theorie kommt mit der spezifischen Analyse von zwei policy Bereichen – sicherheitspolitisch und sozio-kulturell – im ASEAN Raum, eine zweite Ebene hinzu. Diese Politikfelder hat die Forschung bisher nur unzureichend reflektiert. Daher scheint es sinnvoll und interessant zu sein, einen Schwerpunkt hierauf zu legen, um die Relevanz des Themas zu steigern.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Teile: Fallbeispiel, Methode, Theorie, Fallstudien und Schlussbemerkungen. Der erste Teil vermittelt einen Überblick über die historische Entwicklung seit Gründung der ASEAN. Das zweite Kapitel thematisiert die Methode. Darin werden die beiden empirischen Fallbeispiele erläutert und ihre Auswahl begründet. Der dritte Teil gliedert sich in drei Abschnitte. Im ersten Abschnitt erfolgt die Operationalisierung regionaler Integration. Der zweite Abschnitt stellt die verschiedenen Integrationstheorien dar und würdigt diese in einer kritischen Betrachtung. Zudem werden die Theorien am Beispiel der ASEAN durchgespielt. Anschließend folgt die Einordnung des world polity-Ansatzes.
Im vierten Teil stehen die empirischen Erkenntnisse im Vordergrund. Das vierte Kapitel thematisiert die Sicherheitspolitik der ASEAN bis zum Ende des Kalten Krieges. Es ist sinnvoll, für die Einordnung und das Verständnis einen breiteren Blick auf die Sicherheitsgemeinschaft zu werfen. Dargestellt wird auch die Zusammenarbeit der EU mit der ASEAN und die Implementierung von verschieden Projekten seitens der EU zur Unterstützung regionaler Integration. Im historischen Verlauf sowie in der Zusammenarbeit der EU lassen sich Diffusionsprozesse ausmachen und einordnen. Interessant ist auch die Analyse von Wirkung und Nachhaltigkeit in der ersten Säule der ASEAN. Im fünften Kapitel steht der sozio-kulturelle Bereich im Fokus. Dieser ist bei Weitem nicht so intensiv ausgeprägt wie die Sicherheitsgemeinschaft. Dennoch lassen sich in der Wirkung von Diffusion offensichtliche Tendenzen erkennen, die geleitet sind von symbolischer Legitimität.