Im Jahr 1998 wurde mit dem Kindschaftsreformgesetz die Rechtsfigur des Verfahrenspflegers eingeführt, der die kindlichen Interessen in gerichtlichen Verfahren wahrnehmen sollte. Was zu seinem Tätigkeitsfeld gehört und welche Berufsgruppen für diese Tätigkeit infrage kommen, war lange Zeit strittig und wurde auch elf Jahre später mit der Einführung des FamFG nicht eindeutig geklärt. Durch die mit diesem Gesetz verbundene Reform wurde das Tätigkeitsfeld jedoch um genuin psychologische Aspekte erweitert.
Damit ist der Interessenvertreter - nun Verfahrensbeistand genannt - beim Vertreten des kindlichen Interesses sowohl dem kindlichen Willen als auch dem Kindeswohl verpflichtet. Er soll im erweiterten Aufgabenkreis explorative Gespräche mit den Eltern führen sowie an einvernehmlichen Regelungen zwischen den Eltern mitwirken. Wie diese gerichtliche Aufforderung zur Konfliktbeilegung durch die Unterstützung der Verfahrensbeistände in die Praxis umgesetzt werden kann, ließ der Gesetzgeber offen. Bis heute ist auch aus diesem Grund unklar, wie Verfahrensbeistände diesen Vermittlungsauftrag gestalten.
Die Verfahrensbeistandschaft wird im Wesentlichen von zwei Berufsgruppen ausgeführt, die von ihrer beruflichen Sozialisation her kaum unterschiedlicher sein könnten - von Anwälten und Sozialpädagogen. Anwälte als Experten für Interessenvertretung lassen sich dem Tätigkeitsprofil des Verfahrensbeistands nicht ohne Weiteres zuordnen, da sich die Interessen von Erwachsenen und von Kindern im Familienrecht unterscheiden. Während Erwachsene den Streit gewinnen möchten, wollen Kinder den Streit beenden. Eltern nicht in Gewinner und Verlierer aufzuspalten, um einen Konflikt zu beenden, entspricht kaum dem anwaltlichen Verständnis seiner Berufsrolle als Parteivertreter. Trotzdem hat sich der Anteil an Anwälten von etwa 30 % in den letzten Jahren kaum verändert.
Die zentrale Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit war zum einen, wie der gerichtliche Vermittlungsauftrag auf Mitwirken an einvernehmlichen Regelungen zwischen den Eltern von den Verfahrensbeiständen umgesetzt wird, und zum anderen, welche Unterschiede es hier zwischen den verschiedenen als Verfahrensbeistand agierenden Berufsgruppen gibt.
Für diese explorative Studie wurden tätige Verfahrensbeistände im gesamten Bundesgebiet aufgefordert, über die Praxis ihrer Tätigkeit Auskunft zu geben. Die Daten wurden mittels eines eigens dafür konzipierten Fragebogens erfasst. Thematisch standen dabei die konkrete Umsetzung der Vermittlungsbemühungen im erweiterten Aufgabenkreis, die eingesetzten Mittel (Form der Elterngespräche, Fachgespräche) und der Einfluss von Professionsangehörigkeit sowie von Fort- und Weiterbildungen im Zentrum.
Während die allgemeine Praxis und die eingesetzten Mittel mithilfe einer vierstufigen Ratingskala erfasst wurden, wurden die konkreten Vermittlungsbemühungen mit offenen Fragestellungen erhoben. Die Stichprobe umfasste 98 Verfahrensbeistände, von denen u. a. 62 % Sozialpädagogen und 27 % Anwälte waren.
Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass der vermittelnde Ansatz von fast allen Akteuren für wichtig erachtet, aber nur von weniger als der Hälfte auch aktiv umgesetzt wird. Verfahrensbeistände können danach unterschieden werden, ob sie eher eine Vermittlung durch andere Fachkräfte vorbereiten oder selbst im Rahmen gemeinsamer Elterngespräche vermittelnd tätig werden. Die Befunde deuten darauf hin, dass sich die ermittelten Unterschiede zum einen durch die jeweils vertretenen Berufe und zum anderen durch die jeweils absolvierten Weiterbildungen erklären lassen.
Anwälte investieren im Vergleich zu Sozialpädagogen signifikant weniger Zeit in einen Auftrag und interpretieren ihr Mitwirken an einvernehmlichen Regelungen als Empfehlung zur Konfliktlösung - vorzugsweise im Einzelgespräch. Dabei versuchen sie häufig, ihre Vorschläge selbst durchzusetzen, ohne diese mit den Eltern zu bearbeiten.
Im Vergleich zwischen Anwälten und Sozialpädagogen führen eher Sozialpädagogen gemeinsame Gespräche mit beiden Elternteilen, um mit ihnen kooperativ an einvernehmlichen Lösungen zu arbeiten und das elterliche Spannungsfeld abzubauen. Diejenigen von ihnen, die über eine systemische Weiterbildung verfügen, nutzen diese proaktive Form der Vermittlung auch signifikant häufiger als diejenigen ohne eine solche Weiterbildung.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Anwälte in ihrer Rolle als Verfahrensbeistand mehrheitlich die rechtlichen Aspekte ihrer Tätigkeit überbetonen und damit das Hauptinteresse der meisten Trennungskinder aus dem Blick verlieren. Während die Anwälte sich weitestgehend als homogene Gruppe darstellen, bilden die Sozialpädagogen in ihren Arbeitsweisen und der Gestaltung ihres erweiterten Arbeitskreises keine homogene Gruppe. Nur diejenigen mit einer systemischen Weiterbildung setzen sich mit den Eltern in Form von gemeinsamen Gesprächen auseinander und versuchen gemeinsame Regelungen zu finden. Dieser Befund könnte dahingehend interpretiert werden, dass systemische Weiterbildungen eine proaktive Vermittlung fördern.
Die Schlussfolgerung aus der vorliegenden Studie ist, dass zur Umsetzung des Hauptinteresses betroffener Kinder - Befriedung der Eltern - der Verfahrensbeistand nicht nur über das nötige Wissen, sondern auch über die erforderliche Handlungskompetenz verfügen muss. Da die proaktive Vermittlung vermutlich der wichtigste Aspekt bei der Befriedung der Eltern ist, sollten im Interesse der betroffenen Kinder nur Personen als Verfahrensbeistand bestellt werden, die auch über eine psychologische Grundqualifikation verfügen sowie eine entsprechende systemische Weiterbildung nachweisen können.
Wie sich die Vermittlungsbemühungen durch Verfahrensbeistände tatsächlich auf die Eltern auswirken und wie sie gegebenenfalls verbessert werden können, muss zukünftig noch näher empirisch untersucht werden.