Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Fragen, ob es eine afrikanische Philosophie gibt, und wenn ja, wie diese aussieht. Diese Fragen sind in der Untersuchung des Komplexes afrikanischer Philosophie fast unumgänglich und werden in zahlreichen Einleitungen von Schriften zu dem Thema eingehend angesprochen, indem der Autor für eine Einordnung seiner Position Stellung zu den Fragen bezieht. Auch in Europa haben sie noch heute eine hohe Aktualität, da die afrikanische Philosophie an europäischen Universitäten noch wenig erforscht und geringfügig vertreten ist.
Die Behandlung der Fragen steht vor der grundlegenden Herausforderung, die Begriffe „afrikanisch“ und „Philosophie“ in Einklang zu bringen: Gibt es lediglich Philosophie in Afrika oder eine eigenständige afrikanische Philosophie? Ist unter „Philosophie“ eine strikte methodische Wissenschaft zu verstehen, wie sie beispielsweise an europäischen Universitäten vertreten ist? Oder ist unter „Philosophie“ die Liebe zur Weisheit, das heißt, Weisheitslehre zu verstehen, wie sie auch im traditionell-kulturellen Afrika betrieben wird? Erstere Philosophiedefinition wird von professionellen afrikanischen Philosophen vertreten, welche im Titel dieser Arbeit unter „moderne Positionen“ gefasst werden, da sie sich selbst als „Modernisten“ den „Traditionalisten“, welche die zweite Philosophiedefinition vorziehen, gegenüberstellen. Diese Philosophiedefinition setzt voraus, dass Philosophie an analytische Vorgehensweisen gebunden sind, welche die professionellen Positionen im traditionell-kulturellen Afrika noch nicht nachgewiesen sehen. Die Untersuchungen werden von dem grundsätzlichen Problem begleitet, dass nur wenige Schriften in Afrika auffindbar und erhalten sind. „Traditionelle Positionen“ plädieren – ähnlich der Vertreter interkultureller Philosophie – für eine breit gefasste Definition von Kultur und Philosophie, um so keiner Kultur den Anspruch auf Philosophie zu verwehren und ein eurozentristisches Monopol zu vermeiden. Der Gegenseite von professionellen Philosophen wird eine westlich-geprägte Ansicht auf die Definition und den Inhalt von Philosophie vorgeworfen, welche sich beispielsweise in der Einseitigkeit ausdrückt, die gegenwärtig westlich-vorherrschende Analytik in Afrika zu fordern.
Aus diesen gegenübergestellten Positionen entbrannte in den 1970er Jahren in afrikanischen Philosophiekreisen die sogenannte „Große Debatte“, deren Streitpunkte in der vorliegenden Arbeit herausgearbeitet werden. Hierfür wurde die Arbeit in zwei Teile gegliedert: der erste Teil macht den Versuch, die afrikanische Philosophie in Perioden und Schulen zu gliedern und geschichtlich darzustellen. Da die grundsätzliche Frage, ob es eine afrikanische Philosophie überhaupt gibt, noch heute diskutiert wird, bleibt die geschichtliche Aufstellung eine unter mehreren. Der zweite Teil der Arbeit stellt ausgewählte Streitpunkte der Debatte in einem Diskussionsteil untersuchend dar.