Ein auf geographischer Unkenntnis beruhender Zufall führt die Alte Welt nach Amerika. Seither übt der fremde Kontinent auf Europäer eine gewaltige Anziehungskraft aus, ist aus der Geschichte Europas und damit der der deutschsprachigen Literatur nicht mehr wegzudenken - gängige Amerikatopoi wie der Utopie vom American Dream im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zeugen hiervon. So wird Literatur im Wechselspiel historischer Prämissen zum Vermittlungsträger für das, was seit der Entdeckung Amerikas in die Neue Welt hineinprojiziert wird: Amerikadarstellungen gespickt mit klischeehaften Bildern und nationalcharakterologischen Stereotypen, wobei je nach epochenspezifischem Zeitgeist und der jeweils vorherrschenden Amerikawahrnehmung der Alten Welt die literarischen Bilder von utopischen Zügen oder von horrorartigen Zukunftsvisionen dominiert werden - ein Auf und Ab zwischen amerikanophilem Wunschbild und amerikanophobem Alptraum.
Max Frisch steht diese auf gängigen Klischees basierende gegensätzliche Art der Darstellung von der Neuen Welt fern, was in Anbetracht des Kalten Krieges samt Antagonismus Ost und West umso bemerkenswerter erscheinen muss, umfasst doch Frischs literarisches Amerikabild nahezu den gesamten Zeitraum dieser vom Hegemonialstreben der Supermächte UdSSR und USA geprägten Periode. Trotz der doppelten Prämisse dichotomisierenden Denkens - nationalcharakterologische Amerikaklischees sowie stereotype Feindbildkonstrukte des Kalten Krieges - skizziert Frisch über Jahrzehnte hinweg ein Land und dessen Menschen jenseits von schablonenartigen Vorstellungen und ideologietreuen Urteilen. Demnach möchte ’Amerika in Farbe’ - die Darstellung der amerikanischen Fremde bei Max Frisch ein Amerikabild umschreiben, das mit seinen feinen Nuancen quasi bunt dargestellt ist, im Kontrast zu den schwarzweißmalerischen, stereotypen Bildern von Amerika, welche lediglich einen Rückgriff auf kulturell vorgängige Muster darstellen. Die Manifestation der räumlichen und zeitlichen Dimensionen als das Einmalige wird durch diese Reproduktion aus seinem Ursprungskontext gerissen. Sprich eigentliches Erleben im Hier und Jetzt wird in Anbetracht dieser von Wiederholbarkeit geprägten Wahrnehmungsweise verhindert und nach Frisch zum bloßen Dabeisein degradiert. Max Frisch ist ein Mensch der steten Bewegung und so unternimmt er ein Leben lang die Anstrengung diese Wiederholbarkeit zu überwinden, indem er immer wieder in die Neue Welt eintaucht um diese abseits des bloßen Dabeiseins zu erleben - der Schweizer entspricht somit ganz dem bereits 1953 in seinem essayistischen Text Unsere Arroganz gegenüber Amerika postulierten, kosmopolitischen Ideal des globalen Menschen. Der ständige Wechsel von Kulturräumen wirkt auf das Leben und Werk des Schweizers und so speist der biographische Erlebnishorizont der Fremde mit Namen Amerika als Material die öffentlichen Stellungnahmen Frischs und dessen Fiktionen. Frischs Amerika ist demnach keine einfache Wiedergabe schablonenartiger Vorstellungen der kollektiven Wahrnehmung, sondern vielmehr vom Erleben der realen Gegebenheiten vor Ort geprägt und erscheint folglich differenziert - die zentrale These der Arbeit ’Amerika in Farbe’ – die Darstellung der amerikanischen Fremde bei Max Frisch.