In vielen ariden Nachbarregionen kontinentaler Hochgebirge ist Wasser aus der Schnee- und Gletscherschmelze die hauptsächliche wasserwirtschaftliche Ressource. Zur Modellierung des Schneeschmelz-Abfluss-Prozesses werden Niederschlag-Abfluss-Modelle eingesetzt, die spezielle Module für die Abbildung der Schnee- und Gletscherschmelze haben. Die Bestimmung der räumlichen Verteilung der benötigten meteorologischen Eingangsgrößen ist bisher jedoch aufgrund der hohen morphologischen Variabilität und der i. d. R. geringen Messnetzdichte in den meisten Hochgebirgsregionen sehr schwierig und mit großen Unsicherheiten behaftet.
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, den Einsatz der heute verfügbaren globalen Fernerkundungs- und Reanalysedaten als meteorologische Eingangsgrößen zur Modellierung des Niederschlag-Abfluss-Prozesses zu untersuchen. Das Haupteinsatzgebiet des Modells liegt in Schnee-dominierten datenarmen Einzugsgebieten.
Zur Modellierung des Schneeschmelz-Abfluss-Prozesses wurde das weltweit für den Einsatz in Schnee-dominierten Gebieten etablierte „Snowmelt Runoff Model“ (SRM) von Martinec (1975) zu einem räumlich verteilten, konzeptionellen Niederschlag-Abfluss-Modell (rSRM) weiterentwickelt. Die drei wesentlichen Eingangsgrößen des Modells sind die Lufttemperatur, die Ausdehnung der Schneedecke und der Niederschlag. Zur Aufbereitung der Landoberflächentemperaturen aus Daten des „Moderate-Resolution Imaging Spectroradiometer“ (MODIS) wurde eine neue Methode zur Rekonstruktion von räumlich verteilten Tagesmitteltemperaturen unter zur Hilfenahme einer Referenzstation entwickelt. Zur Bestimmung des Schneebedeckungsgrads wurde ein Verfahren weiterentwickelt, mit welchem die räumlichen Datenlücken in den täglichen MODIS-Datensätzen geschlossen werden können. Der Niederschlag wurde aus einem Ensemble aus Fernerkundungs- und Reanalysedaten abgeleitet. Hierzu wurde als deterministisches Modell ein künstliches neuronales Netz, als probabilistische Methode der „Model Conditional Processor“ und eine Kombination beider Ansätze zur Ermittlung des optimalen Datensatzes untersucht.
Zur Beurteilung wurden die einzelnen Methoden in den Schweizer Alpen bei guter Datenlage mit Bodenstationsdaten verglichen. Anschließend wurden die Verfahren zur praktischen Anwendung in ein datenarmes Gebiet übertragen. Zur Validierung der Modellierungsergebnisse erfolgte die Modellierung des Niederschlag-Abfluss-Prozesses für zwei Schweizer und ein datenarmes, Schnee-dominiertes Einzugsgebiet mit rSRM, HEC-HMS und einem künstlichen neuronalen Netz.
Im Rahmen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die verfügbaren globalen Fernerkundungs- und Reanalysedaten als Eingangsgrößen zur Modellierung des Niederschlag-Abfluss-Prozesses für Schnee-dominierte Einzugsgebiete hervorragend geeignet sind. Wesentlich ist dabei eine räumlich und zeitlich vollständige Rekonstruktion der infolge Wolkenbedeckung häufig unvollständigen Fernerkundungsdaten für die Temperatur und den Schneebedeckungsgrad. Die in der Arbeit entwickelten Rekonstruktionsverfahren liefern räumlich hoch aufgelöste, tägliche Datensätze, welche zur genaueren Abbildung des Schneeschmelzprozesses innerhalb von rSRM entscheidend beitragen.