Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Synthese und Charakterisierung, der Strukturchemie sowie dem Entwässerungsverhalten von Oxoselenaten(IV) ein- und zweiwertiger Metalle. Die Darstellung der Proben erfolgte mit einem modifizierten Gradientenverfahren durch Kristallisation aus wässrigen Lösungen.
Zur Charakterisierung der Verbindungen wurden rasterelektronenmikroskopische (Mikroskopie, EDX, WDX), schwingungs- (IR, Raman), impedanz- und remissionsspektroskopische, röntgenographische (Einkristallstrukturanalyse, Pulverdiffraktometrie), thermoanalytische (DSC, TG/DTA) und magnetische Untersuchungen durchgeführt. Acht der hier vorgestellten Oxoselenate(IV) kristallisieren in jeweils neuen Strukturtypen, fünf Verbindungen sind isotyp zu bereits bekannten Strukturen, und fünf weitere sind Vertreter der erstmals dargestellten und charakterisierten Verbindungen des Typs KM II (HSeO 3 ) 3 (M II =
Mg, Mn, Co, Ni, Zn). Für die Oxoselenat(IV)-chloride konnte eine Häufung azentrischer Strukturtypen festgestellt werden. In der sauren, gemischtvalenten Verbindung Li 2 Co II Co III (HSeO 3 ) 4 Cl 3 ·10H 2 O wurden erstmalig [Cl(H 2 O) 6 )] - -Oktaeder im Festkörper beobachtet.
Die bisher nur in Verbindungen mit kleinen und/oder hochgeladenen Kationen festgestellten 1D Auslenkungsanomalien trigonal-planar konfigurierter Kristallwassermoleküle tritt auch bei großen, niedrig geladenen Kationen auf, was das Polarisationsvermögen kleiner, hochgeladener Kationen als einzige Ursache dieser als „strukturelle Kristallwassermolekül-Instabilität“ bekannten Anomalie ausschließt. Insbesondere die Beobachtung der 2D Anomalie des quasi -linear konfigurierten Kristallwassermoleküls Ow2 von Na 2 Zn 2 (SeO 3 ) 3 ·3H 2 O
legt den maßgeblichen Einfluss geometrischer Effekte nahe.
Durch eine systematische Analyse der oxoverbrückten Kationentopologien und H-verbrückten Anionenteilstrukturen von Oxochalkogenaten(IV) hinsichtlich der Dimensionalität der Verknüpfung und wiederkehrender Baugruppen konnten allgemeine Bildungsprinzipien abgeleitet und ein Modell präorganisierter Spezies entwickelt werden, die als Grundlage weiterführender experimenteller und theoretischer Arbeiten zu den komplexen Vorgängen der Keimbildung und Kristallisation in Lösung dienen können.