Weißräume stellen jene unbedruckten und nicht bezeichneten Stellen eines Textes oder einer Zeichnung dar, die den Blick auf den Zeichenträger, das weiße Blatt Papier, freigeben. Jene materialen Aussparungen, welche in der Regel übersehen werden, stellen sich als Bestandteile von Texten und Zeichnungen heraus, die diese gerade erst hervorbringen. Über ihre rein strukturbildliche Funktion hinaus können Weißräume poetisch und ästhetisch wirken. Typografen, Schriftsteller und Zeichner der Moderne bedienen sich der optisch ins Auge fallenden Leerstelle als bedeutungstragendes Zeichen. In seiner Vieldeutigkeit und Offenheit offenbart sich der Weißraum als produktives Stilmittel moderner und post-moderner Ausdrucksweisen.
Die interdisziplinäre Arbeit entwickelt parallel und in wechselseitiger Erhellung das Phänomen der Weißräume in Literatur und bildender Kunst. Dafür wird der typografische Fachbegriff „Weißraum“ zur Beschreibung schriftstellerischer Textlücken herangezogen und als Ausdruck freier Partien in Zeichnungen für den bildwissenschaftlichen Diskurs entlehnt. Aus phänomenologischer, semiotischer und wirkungsästhetischer Perspektive wird das dialektische Verhältnis schwarzer Zeichen und weißer Flächen in literarischen Texten und künstlerischen Zeichnungen beleuchtet, um die poetische und ästhetische Wirkungsweise künstlerisch verwendeter Weißräume zu klären. Anschließend beschreibt die Arbeit in einem umfangreichen historischen Kapitel die Entwicklung des Weißraums in der Literatur und bildenden Kunst vom Symbolismus bis zur Gegenwart.