Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Beziehung zu untersuchen, die Jugendliche zu den Medien aufbauen. Das Zielpublikum besteht aus Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren, die die neunte Klasse (Sek. II) besuchen. Ihrer Altersklasse entsprechend handelt es sich um Heranwachsende, die sich auf der Suche nach Autonomie und Unabhängigkeit befinden, jedoch zugleich die Kindheit noch nicht ganz verlassen haben: Sie stehen unter der Vormundschaft der Eltern, werden der Kultur ihrer Familien unterzogen und werden in der Öffentlichkeit durch Fürsprecher vertreten - sie selbst haben noch kein Recht zur Äußerung.
Diese Jugendlichen, die den Umgang mit Medientechnologien vollkommen beherrschen, bewegen sich absolut ungezwungen zwischen und in den Medien, mit denen sie durch den täglichen Umgang eng vertraut, ja intim sind. Dennoch kommt es vor, dass die Informationstechnologien und die verfügbaren Inhalte als Vermittler und als Mit-Konstrukteure der Realität agieren. Auf der anderen Seite ist der Empfänger der Informationen jung, heranwachsend, mit einer eigenen Geschichte und in einem bestimmten kulturellen Kontext eingebettet.
Daraus ergeben sich:
ein Konstruktionsprozess von Realitäten in den Sendepolen,
ein Dekonstruktionsprozess dieser Realitäten durch den Akt des Empfangens und
ein Rekonstruktionsprozess von neuen Versionen aus der Rezeption heraus und in den Interaktionen, die zusammen mit den sozialen Gruppen geschehen.
Aus der Gegenüberstellung von Medieninhalten mit einer gegebenen kulturhistorischen Realität des Empfängers entstehen Gegenreden und gemeinsam geteilte Bedeutungen.
Die hier vorgestellte Forschung bemüht sich um ein besseres Verständnis in bezug auf folgende Fragen:
Was entsteht im Rezeptionsfeld?
Welche Inhalte sind relevant für die Jugendlichen?
Mit wem werden die rekonstruierten Inhalte geteilt?
Wie beteiligt sich die Schule als Lern- und Sozialisierungsraum an diesen Prozess?
Die insgesamt 110 Schüler, die an dieser Forschung teilnahmen, besuchen die erste Klasse des brasilianischen "Ensino Médio" (entspricht die 9. Klasse in Deutschland) von vier verschiedenen Schulen in drei Städten. Folgende Quellen wurden für die Produktion von Informationen benutzt:
Feldnotizen
Formular mit offenen und geschlossenen Fragen
Klassendiskussion zu den Antworten des Formulars mit allen Schülern der jeweiligen Klasse
Gruppendiskussion zur Vertiefung einiger Themen mit Schülern, die das Formular beantwortet und an der Klassendiskussion teilgenommen hatten
Bild- und Tonaufnahmen der Klassendiskussion.
Außerdem wurden offene Interviews mit den Schulleiterinnen, den pädagogischen Leitern und den Lehrern durchgeführt.
Jugendliche befinden sich in einer wichtigen Phase im Hinblick auf menschliche Entwicklung und Wissenserwerb. Die Medieninhalte bieten ihnen wichtige Anhaltspunkte, um ihre Welten zu verstehen. Ihr Alltag wird zu einer symbolischen und ideologischen Kampfarena, wo verschiedene Medienakteuren versuchen, ihre Hegemonialmacht über sie durchzusetzen. Teils bezwingen sie sie in die Rolle eines Voyeurs, teils sind sie unfähig, sie länger zurückzuhalten und müssen sie frei lassen, wie ein Flâneur durch die Medien.
Jugendliche sind verwundbar, werden von erotisierenden Bildern verführt, während zugleich ihr Blick beim Durchstöbern durch die Medien fest gefangen ist. Und gerade dieses Durchstöbern, diese Mobilität machen sie zu einer befreienden Gegenrede. Jugendliche beider Geschlechter entwickeln in ihren Beziehungen zu den Medien Taktiken zur Auseinandersetzung. Dabei rechnen sie eher mit der Unterstützung von Freunden und Medienakteuren als mit der Hilfe von Lehrern und Familie. Ihnen wieder näher zu kommen, um mit ihnen an dieser Medienerfahrung teilzunehmen und daraus zu lernen, ist möglicherweise eine unserer größten Herausforderungen.