Die Verwendung ästhetischer Attribute wie schön, hässlich oder elegant zur Beurteilung von Beweisen und Theoremen sowie die Charakterisierung der Mathematik als Kunst sind in der mathematischen Praxis weit verbreitete, von der Mathematikphilosophie jedoch selten systematisch aufgegriffene Phänomene. Für eine mathematikästhetische Diskussion ergeben sich daraus zwei Hauptfragen: Diejenige nach dem Charakter des zugrunde liegenden Schönheitsbegriffs sowie die nach einem Kunststatus der Mathematik.
Auf der Grundlage von Reflexionen aktiver Mathematiker und darüber hinausgehender Literatur zur mathematischen Praxis werden vier die mathematische Schönheit charakterisierende Eigenschaftskomplexe identifiziert. Mit Hilfe der Analyse historischer Zeugnisse der Mathematikästhetik und der gegenüber dem Schönheitsurteil über Mathematisches kritischen Position Immanuel
Kants kann die mathematische Schönheit als emotional erlebbares, rational vermitteltes, subjektives Wohlgefallen charakterisiert werden.
Die aus der Annahme des Kunstcharakters der Mathematik folgende Perspektive auf Gegenstände, beteiligte Personen und Genese des Faches kann erneut kontrastierend zur Kantischen Argumentation – insbesondere gegen den Geniestatus des Mathematikers – in Beziehung gesetzt werden. Die Analyse zeigt die Mathematik als in vielen Aspekten kunstähnliche Disziplin und den produktiven Beitrag des Mathematik-Kunst-Vergleichs zu einer adäquaten Beschreibung der mathematischen Praxis.
Die Anwendung der ästhetischen Perspektive im Rahmen der Mathematikdidaktik und die Illustration durch konkrete Klassiker der Mathematikästhetik zeigt deren Möglichkeiten exemplarisch und führt zur Konkretisierung der theoretischen Ergebnisse. Beides unterstreicht die Bedeutung der ästhetischen Erfahrung Mathematik.