In dieser Forschungsarbeit wird ein referenzfreies ultraschallbasiertes „Structural Health Monitoring“-Verfahren (SHM-Verfahren) für rotierende und mechanisch belastete Bauteile entwickelt, welches zur permanenten Zustandsüberwachung von Radsatzwellen in Schienenfahrzeugen angewendet werden kann. Das neuartige Verfahren der „Dynamischen Referenz“ basiert auf dem Unterschied in der Ultraschallwellenausbreitung infolge des Rissatmens während der Rotation eines mechanisch belasteten Bauteils.
Ultraschallwellen interagieren aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften einer elastischen Festkörperwelle mit Diskontinuitäten im Material und eignen sich daher besonders zur permanenten Zustandsüberwachung. Um die Unterschiede infolge eines Schadens zu detektieren, werden für die meisten SHM-Verfahren Referenzmessungen („Baselines“) im ungeschädigten Zustand aufgenommen und mit Hilfe von Techniken zur Signalanalyse mit dem aktuellen Zustand verglichen. In der realen Anwendung sind Strukturen ständig sich ändernden Umgebungs- und Betriebsbedingungen („Environmental and Operational Conditions“ (EOCs)) ausgesetzt. Untersuchungen bzgl. der Stabilität und der Beeinflussung von EOCs auf ultraschallbasierte SHM-Verfahren, die eine zuvor aufgenommene Referenzmessung nutzen, haben gezeigt, dass diese zu Fehlern in den Ergebnissen der Zustandsüberwachung führen. Dies ist auf die schwierige oder nicht mögliche Unterscheidbarkeit der Beeinflussungen durch EOCs von denen infolge eines Schadens zurückzuführen. Es erscheint daher nicht wirtschaftlich und teilweise nicht möglich, Daten unter sämtlichen verschiedenen Kombinationen von EOCs für jede zu untersuchende Struktur zu erfassen und daraus den Referenzzustand des SHM-Verfahrens zu bilden. Daher erscheint die Entwicklung eines referenzfreien SHM-Verfahrens zwingend erforderlich und wird in dieser Arbeit fokussiert.
Die Ergebnisse der Zustandsüberwachung während der Rissinitiierung und des Rissfortschritts in Radsatzwellen zeigen die Funktionsfähigkeit des entwickelten SHM-Verfahrens hinsichtlich einer referenzfreien Rissdetektion, einer Risslokalisation in Umfangsrichtung und einer automatisierten Überwachung des Rissfortschritts. Zudem wird nachgewiesen, dass das eingeführte Verfahren in der Lage ist, einen realen Ermüdungsriss während Messfahrten auf einem Rollenprüfstand für Schienenfahrzeuge referenzfrei zu detektieren.
Das entwickelte referenzfreie SHM-Verfahren könnte zur Komplettierung der Sicherheitsebene der in festgelegten Inspektionsintervallen durchgeführten zerstörungsfreien Prüfungen beim Betrieb von Radsatzwellen dienen, da durch die permanente Zustandsüberwachung unabsehbare Schadensfälle vermieden werden. Diese Innovation kann durch eine Steigerung der Akzeptanz des Schienenverkehrs zur klimaschonenden Mobilität der Zukunft beitragen.