Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung neuer nicht-invasiver Methoden zur Charakterisierung des individuellen elastischen Verhaltens der menschlichen Aortenwand. Aufgrund der physiolo-gischen Funktion der elastischen Eigenschaften im Herz-Kreislauf-System und deren Änderung bei degenerativen Prozessen und Erkrankungen hat die Kenntnis des individuellen elastischen Verhaltens zum einen unmittelbar diagnostische Relevanz. Zum anderen sind die individuellen Materialeigenschaften eine wichtige, bislang unbekannte, Bestimmungsgröße Patienten-spezifischer Finite Elemente Modelle, die zur Berechnung der maximalen Wandspannung und zur Abschätzung des Rupturrisikos von Bauchaortenaneurysmen entwickelt wurden.
Unter Verwendung eines modifizierten kommerziellen Echtzeit-3D-Echokardiographiegeräts, dessen Software über einen Speckle-Tracking-Algorithmus verfügt (4D-Ultraschall), wurde in Zusammenarbeit mit industriellen und klinischen Partnern eine neuartige Vollfeldmessung der Verformung der Aortenwand etabliert. Die Messung liefert die räumliche Bewegungsfunktion diskreter materieller Punkte im Sinne der Kontinuumsmechanik über den Herzzyklus. Diese Da-ten ermöglichen die Bestimmung aller Komponenten des ebenen Dehnungszustandes für Ge-fäßwandsegmente mit einer Größe zwischen ca. 1 mm^2 und 20 mm^2. Die etablierte Messung der Wandbewegung wurde in einem in vitro-Experiment hinsichtlich ihrer Messunsicherheit und ihrer Reproduzierbarkeit validiert.
Zwei Methoden zur Analyse der Wandbewegung wurden entwickelt und in klinischen Stu-dien exemplarisch auf Patientengruppen angewendet. Ein Vergleich der dreidimensionalen Ver-formung der herznahen aufsteigenden Aorta und der Bauchaorta führte zu einem verbesserten Verständnis der physiologischen Windkessel-Funktion der herznahen Aorta. Durch statistische Analyse der aus den Vollfeldmessungen erhaltenen Verteilungen lokaler Dehnungen wurden neue Maße für Größe und Heterogenität der elastischen Verformung der Wand gewonnen, sog. Dehnungs-Verteilungs- oder Wandbewegungs-Kennwerte. In einer vergleichenden klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass diese Kennwerte zuverlässige Kriterien für die Klassifikation des pathologischen Zustands von Aortenwänden sind und sich daher als zusätzliche Biomarker für Erkrankungen der Aortenwand eignen.
Zur Indentifikation der individuellen elastischen Eigenschaften der Aortenwand wurden im Rahmen dieser Arbeit zwei Ansätze entwickelt. Zum einen wurde ein lokaler Distensibilitätsko-effizient eingeführt. Er kann ohne Modellannahmen auf Basis der 4D Ultraschalldaten und nichtinvasiver Blutdruckmessungen bestimmt werden und ist proportional zur Inversen des Se-kantenmoduls des lokalen nichtlinear elastischen Materialverhaltens im Bereich physiologischer Belastung durch den Blutdruck. Zum anderen wurde ein iteratives Finite-Element-Model-Updating-Verfahren zur inversen Identifikation des individuellen orthotropen und hyperelasti-schen konstitutiven Verhaltens entwickelt, das auch auf Aorten und Aneurysmen mit geomet-risch unregelmäßigen Konfigurationen angewendet werden kann. In einem numerischen Verifi-kationsexperiment konnte gezeigt werden, dass die Identifikation des Materialverhaltens auf Basis der mit 4D Ultraschall gemessenen Dehnungsfelder reproduzierbar möglich ist, obwohl nur zwei Lastfälle nichtinvasiv messbar sind. Die Auswirkung der in der Validierungsstudie be-stimmten Messunsicherheit auf die Parameteridentifikation wurde untersucht. Schließlich wur-den exemplarisch die elastischen Eigenschaften von drei Patienten identifiziert, die sich nach Alter und Herz-Kreislauferkrankungen charakteristisch unterschieden.