Die besonderen Eigenschaften und das breite Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten von Nanomaterialien haben dazu geführt, dass sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Die Verwendung von Nanomaterialien (NMs) in mittlerweile fast allen Industriezweigen hat die Nanotechnologie zu einem großen und immens wachsenden Wirtschaftszweig werden lassen. Das Volumen an NMs, die jährliche produziert werden, und in vielen Produkten Ver-wendung finden, liegt bei mehreren Millionen Tonnen. NMs können über das Abwasser in die aquatische Umwelt gelangen, wo sie von den dort leben Organismen aufgenommen, akkumu-liert und über die Nahrungskette angereichert werden können.
Daher unterliegen NMs wie anderen chemische Industrieprodukte einer Umweltrisikobewer-tung inklusive der Beurteilung ihres Potenzials sich in der Umwelt anzureichern. Die aktuell dafür verwendeten Testsysteme wie auch die Bewertungsschemata wurden jedoch nicht für die Testung von NMs entwickelt. Zudem würde für die Testung aller NMs mit den üblichen Methoden eine enorme Menge an Fischen benötigt und sich somit neben der finanziellen und logistischen Herausforderung auch eine ethische Problematik ergeben.
In den Studien dieser Arbeit wurden daher Testsysteme entwickelt, welche die Bestimmung des Bioakkumulationspotenzials von NMs mittels wirbelloser Tiere wie Muscheln und Amphi-poden ermöglicht. Hierzu wurde eigens eine Testanlage entwickelt, die eine konstante und stabile Exposition mit NMs ermöglicht. Es wurden zudem Studien mit Fischen durchgeführt, um die im neuen Testsystem mit wirbellosen Tieren erzielten Ergebnisse vergleichen zu kön-nen. Mittels Einzelpartikel-ICP-MS und angepasster Methoden der korrelativen Mikroskopie konnte am Beispiel von Silbernanopertikeln (AgNPs) gezeigt werden, dass die Akkumulation von Metallen im Gewebe der Tiere nach Exposition über das Futter und das Wasser primär über die Aufnahme von Ionen erfolgt, welche von den NMs freigesetzt werden. Laborstudien mit der Körbchenmuschel Corbicula fluminea und der Süßwasseramphipode Hyalella azteca haben gezeigt, dass benthischen Invertebraten vermutlich eine Schlüsselrolle im Transfer von NMs in der Nahrungskette zukommt.
Unter Berücksichtigung der entwickelten Nicht-Wirbeltiertests wurde ein gestuftes Bewer-tungskonzept für die Beurteilung des Bioakkumulationspotenzials von NMs entwickelt, wel-ches die Ergebnisse aus Bioakkumulationsstudien mit H. azteca integriert. Regulatorische Endpunkte für die Bewertung der Bioakkumulation von NMs wurden entwickelt, welche den Aufnahmeweg von NMs in den Testorganismus berücksichtigen und somit eine eindeutige Bewertung der NMs als „bioakkumulierend“ oder „nicht-bioakkumulierend“ ermöglichen. Mit-tels der entwickelten Testmethoden kann zukünftig möglicherweise auf einen Teil der heute noch benötigten Fischtests verzichtet werden, ohne die Qualität der regulatorischen Bewer-tung zu beeinträchtigen.