Im Rahmen dieser Dissertation wurde der systematische Aufbau supramolekularer Architekturen nach dem Baukastenprinzip untersucht. Dazu wurden in einem ersten Schritt die Synthesen der molekularen Bausteine - reduzierte Polyoxomolybdatcluster - analysiert und optimiert. Darauf aufbauend wurden neue, funktionalisierte Cluster dargestellt, analysiert und charakterisiert und im dritten Schritt mit diesen Clustern supramolekulare Wirt/Gastverbindungen und Kolloide aufgebaut.
Anhand verschiedener experimenteller Beobachtungen und theoretischer Rechnungen wurde ein Modell für den Bildungsprozess großer ringförmiger Polyoxomolybdate entwickelt. Der Bildungsprozess umfasst zwei Schritte, zunächst eine Verknüpfung monomerer Molybdatanionen zu größeren Oligomeren, die dann zu den ringförmigen Clusteranionen aggregieren. Dabei existieren in Lösung zwei unterschiedliche Struktursegmente, die beliebig miteinander kombinieren können. Allerdings führen nur bestimmte Kombinationen dieser Segmente zu einem erfolgreichen Ringschluss, dies sind üblicherweise Kombinationen, die nur aus einem Segmenttyp aufgebaut sind: in dem einen Fall führt dies zu Clustern des Typs (Mo154), in der anderen Variante zu Clustern des Typs (Mo176).
Es konnte des weiteren gezeigt werden, dass es aber auch bestimmte Kombinationen beider Segmenttypen gibt, die ebenfalls einen erfolgreichen Ringschluss erlauben. Die sich aus diesen Untersuchungen ableitenden Konsequenzen wurden zur Optimierung der Reaktionsvorschrift hinsichtlich Ausbeute und Reproduzierbarkeit genutzt.
Ausgehend von dieser Vorschrift konnte in einem zweiten Schritt eine Gruppe neuer Verbindungen mit der allgemeinen Formel Na14[Mo154O472(H2O)48H14Lx] (mit L=Aminosäure) synthetisiert und charakterisiert werden. Die so begonnene systematische Modifizierung der inneren Oberfläche mit Aminosäureliganden eröffnet Möglichkeiten für zukünftige Untersuchungen und Einsatzgebiete entsprechender Molybdänblauverbindungen im Bereich der Sensorik.
Derivatisierungen sowohl der inneren, als auch äußeren Oberfläche führten zu neuen Verbindungen des Keplerattyps. Im Falle des (NH4)42[Mo132O372(HCCO)30(H2O)72] x 250 H2O x 30 NH4OOCH stellt der in der Clusterschale eingekapselte van der Waals Cluster ein interessantes Modell für den Einfluss molekularer Container dar, während die Substitution der Metallzentren in den pentagonalen Baueinheiten zu heterometallischen Kepleraten mit unterschiedlicher Reaktivität führt.
Erste Schritte in Richtung Nanotechnologie waren die Untersuchungen mittels Rastertunnelmikroskopie an den verschiedenen Kepleraten. Nach anfänglichen probenpräparativen Schwierigkeiten gelang es erstmalig, Keplerate des Types (Mo132) und (Fe30Mo78) auf verschiedenen Substraten mittels STM abzubilden.
Eine Gruppe neuer reduzierter Molybdänsauerstoffcluster mit 40, 48 resp. 54 Molybdänzentren erwies sich als weiteres Modellsystem für die Aggregation in situ generierter Oligomere. Die Verbindungen bilden eine Gruppe korrelierbarer Polyoxomolybdate, die aus ähnlichen Baueinheiten aufgebaut sind. Bei der Synthese konnten Steuerungsparameter wie Reduktionsgrad und Elektrolytkonzentration identifiziert und genutzt werden, um die komplexen Gleichgewichte in Lösung gezielt in Richtung eines bestimmten Produktes zu verschieben.
Untersuchungen an Molybdänblaukolloiden zeigen einen schrittweisen Aufbau eines hierachisch geordneten Materials: zunächst beobachtet man bei den SAXS-Messungen den Aggregationsprozess einzelner Ringe, dann mittels Dynamischer Lichtstreuung die Existenz von Primärpartikeln mit einem Durchmesser von ca. 80 nm und letztendlich im ESEM die Bildung größerer molekularer Aggregate. Für den Aufbau dieser Aggregate wird aufgrund der Ergebnisse der EDAX- und IR-Untersuchungen eine Hohlkugelanordnung postuliert.
Perspektivisch konnten durch die ersten massenspektrometrischen Untersuchungen an Kepleraten und Molybdänblauclustern neue Wege für die Einzelmolekülspektroskopie an den Clustersystemen eröffnet werden. Es gelang mittels MALDI nicht nur die monomeren Clusteranionen mit einem Masse/Ladungsverhältnis von 20.000 in die Gasphase zu bringen, sondern man konnte zusätzlich Oligomerenbildung der großen Cluster mit m/z-Verhältnissen von bis zu 80.000 beobachten.