Die mathematikdidaktische Forschung bezüglich des Übergangs von der Schule
zur Hochschule der Studierenden des Fachs Mathematik ist so facettenreich wie
der Übergang selbst. Zwei besonders prominente Forschungsrichtungen fokussieren
einerseits auf vermutete Wissenslücken sowie fehlende Kompetenzen in
der Studieneingangsphase und andererseits auf Unterschiede zwischen Schul- und
Hochschulmathematik in Bezug auf deren Natur, Kultur oder verschiedene
Arten mathematischer Praxis.
Meine Forschung ist der zweiten Forschungsrichtung zuzuweisen, insofern die
Schwierigkeiten wie auch positiven Auswirkungen der Erfahrung des Übergangs
der Studierenden, die sie im Rahmen eines Interventionsseminars mitteilen,
sowie deren Reflexion, aus der Perspektive von Auffassungswechseln rekonstruiert
werden. Diese Perspektive fußt auf der Unterscheidung einer empirisch-gegenständlichen
und formal-abstrakten Auffassung von Mathematik, die auf
theoretischer Ebene mit dem Konzept der „subjektiven Erfahrungsbereiche“
(Bauersfeld, 1983) verknüpft wird. Die Adäquatheit dieser Unterscheidung
wird dabei anhand historischer Fallstudien zu von Mises‘ (1931) „Wahrscheinlichkeitsrechnung
und ihre Anwendung in der Statistik und theoretischen Physik“
und Kolmogoroffs (1933) „Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung“
sowie einer qualitativen Inhaltsanalyse verschiedener Schul- und Hochschullehrbücher
gezeigt.
Die intensive Fallstudie von einem Studierenden zeigt einerseits, dass die Erfahrung
von Auffassungswechseln, die Studierende während ihres Übergangs erleben,
wesentlich für einen erfolgreichen Übergang von der Schule zur Hochschule
ist und zugleich die Reflexion von Auffassungswechseln in der historischen Entwicklung
der Mathematik ähnlich positiv wirken kann.