Die Dissertation befasst sich mit der erkenntniskonstitutiven Wirkung zeitlicher Spezifika in der Begegnung von Leser und Text. Insofern stehen die Themenbereiche "Zeit", "Lesen" und "Literatur" im Vordergrund, zugleich bleibt die Arbeit aber auch der Problematik von "Ich", "Ich-Entwicklung" und den Möglichkeiten subjektiver Reflexion und Erkenntnis verbunden und versucht letztlich, auf die enge Verbindung hinzudeuten, die zwischen der Ich-Entwicklung des Menschen, der "Begegnung" mit selbst ausgewählten Romanen und den dabei gegebenen zeitlichen Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Spezifika besteht.
Um diesen Bogen spannen zu können, umfasst die Untersuchung
– eine Auseinandersetzung mit den wichtigsten Theorien und Ergebnissen der Zeitforschung und die Formulierung eines eigenen Modells, das sich eignet, die "zeitliche" Verbindung zur Tätigkeit des Lesens herzustellen,
– eine Betrachtung der v.a. narrativ strukturierten Bewusstseinsfunktionalität, um zu erklären, wie für das Subjekt Zeit erfahrbar wird und wie Erkenntnis, Ich-Reflexion und Ich-Findung möglich werden und
– eine detaillierte Beleuchtung der Lesesituation unter formalen Gesichtspunkten (Lesen als dialogische Tätigkeit, vergleichbar zur face-to-face-Sprechsituation) sowie im Hinblick auf literarästhetische Spezifika und innerliterarische Strategien der Zeitenkonfiguration.
Aus dieser spezifischen Zusammenschau kann deutlich werden, welche zentrale Rolle zeitliche Gegebenheiten für die Ich-Findung und für Möglichkeiten der Reflexion und Erkenntnis des Subjekts spielen und inwiefern das Lesen von Romanen in der heutigen"Beschleunigungsgesellschaft" hier eine konstitutive Wirkung haben kann.